Paddeltechnik

 

 

 

                                                                                                          

 

 


Nun, stellen wir uns vor, dass man allein im Boot sitzt und an der rechten Seite paddelt. Der rote Pfeil in Skizze (1) zeigt die Paddelbewegung an:  Man sticht das Paddel vorn ins Wasser. Der Buchstabe A zeigt die Anfangstelle des Paddelschlages. Das Ende des Paddelschlages wird mit dem Buchstaben E bezeichnet. Während man das Paddel von vorn nach hinten zieht, bewegt sich das Boot nach vorn, wird aber dabei etwas von der Paddelseite weggelenkt. Die blaue Ellipse zeigt das Boot, der schwach links gebogene blaue Pfeil die Bootsbewegung. Für das Geradeaus-Paddeln ist also dieser Paddelschlag nicht geeignet. Man kann aber immer wieder die Paddelseite wechseln. In diesem Fall fährt man zwar Zickzack, aber man hält zumindest grob die gewünschte Richtung. Das Zickzackpaddeln ist typisch für Anfänger, man kann aber diese Technik verfeinern, indem man bei der Entscheidung, wann die Seite gewechselt wird, nicht nur die Richtung, sondern auch die Trägheit des Bootes

berücksichtigt. Anfänger wechseln in der Regel zu spät und das Boot dreht sich ständig hin und her. Die verfeinerte Form des Zickzackpaddelns heißt „sit and switch“. Bei schmalen, langen Booten mit gerundetem Boden kommt man auf diese Weise sehr schnell vorwärts. Bei kurzen, breiten Kanus und bei flachem Kanuboden ist diese Technik ungünstig. In schnellen Flüssen, bei starkem  Wind und bei großen Wellen ist sit and switch überhaupt nicht zu empfehlen: Das Zickzack wird zu wild, das Boot macht, was es will, und man kentert schnell.

 

 

Die Skizzen (2) bis (8) zeigen, wie der Solo-Paddler den Kanadier ohne das Wechseln der Paddelseite geradeaus fährt. Das Boot wird in den Skizzen (2) bis (6) von der Mitte aus gepaddelt, wobei die Bilder (5) und (6) einige Fehlermöglichkeiten darstellen. Bei den Bildern (7) und (8) ist der Paddler vorn beziehungsweise hinten.

 

Die Paddelführung nach Skizze (2) ist der so genannte C-Schlag. Am Anfang zieht man das Paddel zum Boot, dann führt man es dicht am Boot vorbei, und am Ende stoßt man es kurz vom Boot weg.  Während des Schlages wird das Paddel um ca. 180° gedreht. Beim Zurückbringen des Paddels zur Anfangsstelle wird es in der Luft zurückgedreht. Skizze (3) zeigt den J-Schlag: Hier wird das Paddel gleich am Boot vorbeigeführt, dafür muss man am Ende das Paddel etwas stärker als beim C-Schlag vom Boot wegstoßen. Beim J-Schlag bleibt über die ganze Paddelphase die gleiche Paddelseite aktiv. Beim L-Schlag, Skizze (4), ändert man die aktive Paddelseite vor dem Wegstoßen des Paddels am Ende des Schlages. Wichtig ist beim L-Schlag, der übrigens sehr zu Unrecht auch Deppenschlag genannt wird, dass das Wegstoßen ein kurzer, kräftiger Stoß wird.  Wenn man nämlich am Ende der Paddelphase das Paddel ohne einen kräftigen Seitenstoß vom Boot wegschiebt und lange im Wasser liegen lässt, um überhaupt eine Steuerwirkung zu erzielen, wird der Deppenschlag seinem Namen gerecht: In diesem Fall bremst man das Boot zu sehr. Statt Deppenschlag sage ich jedoch lieber Anfängerstufe des L-Schlages. Zuerst wird diese Stufe gelernt. Dann erst kommt die fortgeschrittene Stufe mit dem kräftigen Seitenstoß. Dies ist am leichtesten bei langen Paddelschlägen durchführbar. Hierzu müssen wir uns am Anfang des Schlages nach vorn bücken und am Ende des Schlages nach hinten lehnen, wie Gabriel und Jonathan es uns zeigen (siehe Bootstanz).  Den J- und den C-Schlag lernen wir erst, wenn der L-Schlag bereits gut eingeübt ist! 

 

 

 

Die Skizzen (5) und (6) zeigen typische Fehler der Richtungskorrektur. Die richtige Richtungskorrektur sehen wir in Skizze (2). Wenn man den Korrekturteil am Anfang und Ende des Schlages nicht deutlich ausführt, bleibt unbestimmt, in welche Richtung sich das Boot bewegen wird. Beim Paddelschlag nach der Skizze (5) ist der Fehler, dass die Paddelrichtung am Anfang und am Ende zur Drehpunkt des Bootes zeigt. So findet keine Richtungskorrektur statt. Bei der Skizze (6) ist der Paddelschlag zu kurz: Der Anfang ist nicht weit genug vorn und das Ende nicht weit genug hinten. Auch hier ist die Richtungskorrektur unwirksam.

  

 

 


Es ist wichtig, dass ein Solopaddler das Boot sowohl von vorn wie auch von hinten richtig lenken kann. So lernt man gleich das Fahren im Zweierkanadier.  Das Paddeln von vorn zeigt Bild (7), während Skizze (8) das Paddeln vom Heck darstellt. Von vorn gepaddelt verwendet man zum Geradeausfahren den auf den Kopf gestellten J-Schlag. Man könnte auch einen auf den Kopf gestellten L-Schlag ausüben, das wird jedoch wegen der komplizierten Handhabung selten getan. Von hinten gepaddelt sind J-Schlag und L-Schlag etwa gleichwertig, aber auch hier gilt: Der L-Schlag ist leichter zu erlernen, während der J-Schlag dem Boot eine Vorwärtsbewegung während der Richtungskorrektur verleiht. Beim L-Schlag können wir während der Richtungskorrektur keine Vorwärtsbewegung erzeugen; im Gegenteil, wir bremsen das Boot, wenn der L-Schlag ohne einen kräftigen Seitenstoß durchgeführt wird.

 

 

 

Wenn man das Boot in die Paddelrichtung wendet, spricht man von der Innenkurve. Die Bilder (9) bis (11) zeigen, wie man die Innenkurve fährt. Von der Bootsmitte gepaddelt  können alle drei Schläge (J-, L- oder C-Schlag) verwendet werden, der Korrekturanteil muss aber deutlich stärker durchgeführt werden als beim Geradeauspaddeln. Man sieht es, wenn man beispielshalber die Bilder (9) und (2) miteinander vergleicht. Paddelt man von vorn, Bild (10), wird das Boot zuerst in die Paddelrichtung gelenkt, das heißt, am Anfang steht die verstärkte Richtungskorrektur, dann kommt der Vorwärts-Teil des auf den Kopf gestellten J-Schlages. Von hinten gepaddelt eignen sich sowohl der J- als auch der L-Schlag mit dem stark betonten Richtungskorrektur-Teil, wie Bild (11) zeigt. 

 

 

Die Anfangsphase der Schläge in den Skizzen (2), (5), (9) und (11) wird auch Ziehschlag oder Ziehen genannt, da am Anfang des Paddelschlages die Bootsspitze zum Paddel gezogen wird. Die Endphase der Schläge in den Bildern (2), (3), (4), (8), (9) und (10) heißt Schieben. Dieser Schlag heißt Hebel, wenn man das Paddel beim Schieben an den Süllrand (Bootskante) stützt, da in diesem Fall das Paddel als Hebel benützt wird. Das Ziehen, Schieben und den Hebel können wir auch ohne Vorwärtsanteil des Schlages ausüben. Von der Mitte gepaddelt fährt dann das Boot seitwärts. Von vorn gepaddelt wird der Bug, von hinten gepaddelt das Heck des Bootes seitlich versetzt.


 

 

 

Bei der Außenkurve, wenn man also das Boot von der Paddelseite weg lenkt, verwendet man den so genannten Bogenschlag oder Steuerschlag, wie die Skizzen (12) bis (14) zeigen. Bei scharfen Kurven reduziert man den Vorwärts-Anteil des jeweiligen Schlages. Bei diesen Schlägen wird das Boot in der Außenkurve beschleunigt.  Will man das Kanu in der Außenkurve nicht beschleunigen, muss man das  Lenken nach Bild (21) oder (23) durchführen. Zwar muss man alle Paddelschläge mit beiden Händen sowohl beim Vorwärts- als auch bei Rückwärtsfahren beherrschen, für den Anfang reicht es jedoch, wenn man die Schläge in den Bildern (4), (9) und (12)  mit beiden Händen durchführen kann. Nur wenn wir diese Schläge sauber durchführen können, kommen die anderen Schläge an die Reihe.  Das Erlernen der restlichen Schläge ist dann fast nur noch ein Kinderspiel. Die Innenkurve können wir am Anfang mit dem L-Schlag üben, wenn sich der in Bild (9) gezeigte C-Schlag noch als zu schwierig erweist.

 

 

Das Fahren im Zweierkanadier ist sehr leicht, wenn beide Kanuten Erfahrung im Solopaddeln haben. Es geht natürlich auch, wenn einer der beiden paddeln kann und der andere ein Anfänger ist. Aber zwei Anfänger in einem Zweierkanadier? Das ist ungefähr so, als wenn zwei, die nicht Fahrrad fahren können, das Radfahren auf einem Tandem übten. Genau das wird aber beim Kanufahren oft versucht. Das Kanu fährt natürlich Zickzack, der Vordermann denkt, der Hintermann (Steuermann) ist schuld dran, der Steuermann beschuldigt den Vordermann. Nur in einem haben beide Recht: Der andere kann es nicht. Wenn ein Solopaddler übt, und es geht nicht so richtig, so übt er weiter, und gibt die Schuld nicht einem anderen. Dabei entsteht  ein Gefühl, was richtig und was falsch ist. Beim Zweierkanadier kann sich dieses Gefühl erst gar nicht entwickeln. Wie paddelt man also richtig im Zweierkanadier? So, dass jeder so paddelt, dass das Kanu auch dann in etwa geradeaus führe, wenn er allein paddelte. Also fängt der Vordermann den Schlag mit dem Ziehen an, der Steuermann beendet den Schlag mit dem Hebel, wie gezeigt im Bild (15). Tun das beide nicht, erzeugen beide ein Drehmoment. Es ist möglich, dass sich die zwei Drehmomente gerade kompensieren. In diesem Fall fährt das Kanu zwar gerade, aber die

Fahrtrichtung ist nicht die Längsachse des  Bootes, sondern das Boot giert (rutscht seitlich), wie Bild (16) zeigt. Das bremst natürlich! Wenn sich die zwei Drehmomente nicht kompensieren, ändert das Kanu außerdem noch seine Fahrtrichtung. Dann wird oft die Paddelseite gewechselt, um die Fahrtrichtung zu korrigieren, und das Zickzack wird immer toller! Zum Schluss bremst der Steuermann mit dem Deppenschlag (jetzt ist der Name richtig!), um die Richtung einigermaßen wieder hinzukriegen. Und so wird nur ein Bruchteil der Paddelarbeit in Vorwärtsbewegung umgesetzt.  Also, übt mal erst das Solopaddeln! So viel Zeit muss sein!

 

Die bisher beschriebenen Paddelschläge bestehen aus einer Paddel- und einer Rückholphase. In der Rückholphase bringt man das Paddel in der Luft in die Anfangsposition zurück. In dieser Zeit ist das

Boot sehr unstabil, weil das Paddel dem Kanu keine Stabilität geben kann, solange es in der Luft ist. So kann in der Rückholphase jede seitliche Welle, jeder Seitenwind oder Stoß das Boot umkippen. Daher müssen wir als nächstes die kontinuierlichen Paddelschläge erlernen, wie sie in den Skizzen (17) bis (23) dargestellt sind.


Der wichtigste kontinuierliche Paddelschlag ist der so genannte Messerschlag (17): Hier bleibt das Paddel die ganze Zeit, d.h. auch beim Zurückziehen zur Anfangsposition, im Wasser. Das Paddelblatt dreht sich bei jedem Schlag um 180°, daher muss man beim Zurückziehen des Paddels zur Anfangsposition den Paddelschaft mit der linken Hand um 180° umgreifen.  Beim Zurückziehen gleitet das Paddel wie ein Messer im Wasser. Der Messerschlag verleiht dem Boot eine enorme Sicherheit und erhöht die Manövrierfähigkeit. Während des Zurückziehens kann man die Bootslage korrigieren, und in der ganzen Zeit kann man sich am Paddel festhalten. Letzten Endes sind das Wriggen (18) zur parallelen Bootsversetzung und die Paddelstütze (19) lediglich Untervarianten des Messerschlages. Bei diesen Schlägen wird das Paddel nicht immer senkrecht zum Paddelblatt bewegt. Mit einer leichten Verdrehung des Paddelblattes entsteht eine zweite Kraftkomponente. So kann man das Boot gleichzeitig nach vorne bewegen und aufrichten, vorwärts bewegen und parallel verschieben. Man kann die drei Kraftkomponenten gleichzeitig erzeugen, wenn man die Winkel zwischen Paddelblatt und Waagerecht beziehungsweise zwischen Paddelstiel und Waagerecht gleichzeitig ändert. Es ist schwierig, diese Bewegungen zu beschreiben, die Skizzen (17) bis (23) können die kontinuierlichen Paddelschläge nur andeuten. Das richtige Gefühl entsteht bei der Übung, und dann braucht man die Bilder auch nicht mehr.

 

 

                                  

 

                                               Messerschlag              Parallele Bootsversetzung                  und flache Paddelstütze

 hohe Paddelstütze

 

     

 

 

rechtshändige                Außenkurve ohne                Außenkurve                Außenkurve

Linkspirouette                Fahrt                                    Vorwärts                     Rückwärts

 


 

Diese Übungen machen Riesenspaß, das Boot macht alles, was man nur will! Die Bilder (17) bis (23) sind nur Beispiele, um die Phantasie anzuregen. Alle Skizzen von (1) bis (23) zeigen rechtshändig durchgeführte Paddelschläge. Für die linkshändige Version müssen wir in Gedanken die Bilder um die Längsachse des Bootes spiegeln. Die Skizzen (1) bis (22) zeigen Paddelschläge beim Vorwärtspaddeln. Für Rückwärtspaddeln müssen wir die Bilder der Paddelbewegung auf dem Kopf stellen. Ein Beispiel hierzu zeigen die Bilder (22 – Vorwärtspaddeln) und (23 – Rückwärtspaddeln).

 

Das Einüben der behandelten  Paddelschläge heißt in der Fachsprache Freestyle Paddling, Freestyle Canoeing oder Playboating, als deutscher Ausdruck hierfür wird oft das Wort Bootsbalett oder Bootstanz benutzt.

 

 

                                      

 

Karen Knight, Weltmeisterin in Freestyle Canoeing

http://www.bobfoote.com/karen/whoiskarenknight.htm

 

 

Eine gute Paddeltechnik-Beschreibung findet man unter:    http://kanadier.gps-info.de/b-paddeltechnik.htm